Großer russischer Angriff auf Grenzregion bei Charkiw

Wenigstens zwei Verletzte, darunter ein Kind, bei einem russischen Raketenangriff in der ukrainischen Stadt Charkiw. Foto: epa/Sergey Kozlov
Wenigstens zwei Verletzte, darunter ein Kind, bei einem russischen Raketenangriff in der ukrainischen Stadt Charkiw. Foto: epa/Sergey Kozlov

KIEW: Russland schafft einen weiteren Brennpunkt an der langen Front mit der Ukraine. Moskauer Truppen rücken näher an die Millionenstadt Charkiw heran.

Die ukrainische Armee wehrt sich nach Angaben des Generalstabs weiter gegen eine russische Offensive im Grenzgebiet bei der Millionenstadt Charkiw. Das Militär berichtete am Samstagmorgen von neun Gefechten an diesem Frontabschnitt. Dabei hieß es pauschal, die russischen Vorstöße seien abgewehrt worden. Diese Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar.

«Der Feind setzt Bodentruppen und Technik ein» hieß es in einer Mitteilung des Generalstabs noch vom Freitagabend. Das ukrainische Militär berichtet seit Freitag von russischen Vorstößen an zwei breiten Frontabschnitten. Die Offensive war erwartet worden, weil die russische Armee nahe der Grenze mehrere Zehntausend Soldaten zusammengezogen hat. Auch Präsident Wladimir Putin hatte schon im März eine Offensive angedroht.

Ukrainische und russische Militärbeobachter wie auch ausländische Experten gingen aber davon aus, dass der Vorstoß noch nicht auf die Stadt Charkiw ziele. Das Institut für Kriegsstudien ISW in den USA sprach von «begrenzten operativen Zielen». Die Angriffe sollten die ukrainischen Kräfte von der Grenze abdrängen; durch das Vorrücken solle Charkiw wieder in die Reichweite russischer Rohrartillerie kommen.

Strategisches Ziel sei, die Ukrainer zu zwingen, Soldaten und Material von anderen bedrängten Abschnitten der Front im Osten abzuziehen. Der begrenzte Einsatz lege nicht nahe, «dass russische Kräfte in großem Maßstab eine Offensivoperation durchführen, um Charkiw einzuschließen, einzukreisen oder zu erobern», schrieb das ISW. Gleich zu Beginn des Angriffskriegs im Frühjahr 2022 waren russische Truppen nach Charkiw eingedrungen, konnten aber abgewehrt werden.

Den Berichten von der Front nach hat der Angriff zwei Stoßrichtungen. An einem Grenzabschnitt etwa 30 Kilometer nördlich von Charkiw besetzten russische Truppen mehrere ukrainische Dörfer. Sie lagen nach übereinstimmenden Angaben in einer Art grauer Zone noch vor der vordersten ukrainischen Verteidigung. Der ukrainische Generalstab nannte das Dorf Lipzy als Stoßrichtung dieses Angriffs.

Der zweite Angriff zielte auf die Stadt Wowtschansk etwa 40 Kilometer nordöstlich von Charkiw. Auch dort wurden mehrere kleine Orte entlang der Grenze besetzt. Im Fall Wowtschansk sehen Experten eher die russische Absicht, Nachschublinien der Ukraine in Richtung Kupjansk zu stören.

Die Ukraine wehrte sich nach russischen Angaben auch, in dem sie in der Nacht auf Samstag das russische Grenzgebiet Belgorod mit Raketenartillerie und Drohnen angriff. Auch am Morgen wurde in Belgorod zeitweise Raketenalarm ausgelöst. In Rowenki im russisch besetzten Gebiet Luhansk löste Beschuss einen Brand in einem Treibstoffdepot aus. Die Ukraine kämpft seit mehr als zwei Jahren gegen eine großangelegte russische Invasion.

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Rolf W. Schwake 12.05.24 07:01
Es gäbe keinen Krieg ...
... wenn nicht am 24.02.2022 der verbrecherische Angriffskrieg entfacht worden wäre! Und der Krieg wäre beendet, wenn der verbrecherische Kreml-Diktator zu schießen aufhört und sich auf die Grenzen seines Riesenreichs (!) zurückzieht.
Einen Verbrecher für seine Verbrechen auch noch zu belohnen, wäre fatal, ebenso wie Appeasementpolitik gegenüber einem notorischen Lügner!
Michael 11.05.24 22:05
@Ingo Kerp 11.05.24 14:10
Aha, nachvollziebarer Gedanke. Wie wäre es daher mal mit Friedensbemühungen anstatt weiterer Waffenlieferungen? Krieg führt nur zu Leid und Zerstörung, auf beiden Seiten. Deshalb kann es nur eine Lösung dieses Problems geben: Verhandlungen. Besser jetzt als später.
Ingo Kerp 11.05.24 14:10
Es sind nicht immer die fehlenden Waffen und die Munition in der UKR. Beides kann beschafft werdn, auch wenn manchmal die Lieferzeiten zu lang sind. Das ernsthafteste Problem der UKR sind fehlende Soldaten. Hunderttausende von jungen Männer im wehrfähigen Alter sind geflohen und wollen im friedlichen Ausland am Leben bleiben, statt sich von Russen totschießen zu lassen. Nachvollziehbarer Gedanke.